Demokratie? - Mein "Zeitung"-Artikel vom 15.08.2022


 

Demokratie?

So alt, wie das Wort „Demokratie“ sind   die Versuche, es zu erklären, mit Inhalt zu füllen. Kluge Menschen haben demokratische Konstruktionen entwickelt und vorgeschlagen, und schon oft ist versucht worden, Gesellschaften demokratisch zu organisieren. Zahlreich sind die Staatsgebilde, die an dem ehrlichen Ziel, ein demokratisches Gemeinwesen zu bauen, scheiterten.  Zahlreich sind auch die Staaten, die sich selbst den Stempel der Demokratie aufdrücken, aber mitnichten demokratisch funktionieren.

Wenn aber Demokratie nur ein Etikett ist, hat sie für die Menschen keinerlei Wert, und sie werden sich ihr verweigern.

Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass das Zusammenleben vieler Menschen in einem Gemeinwesen einer mindesten Organisation bedarf? Und vielleicht können wir uns auch darauf verständigen, dass es zunächst wichtig ist, die Ziele, die mit dieser Organisation des Gemeinwesens verfolgt werden sollen, zu definieren?

Es sind dies gesellschaftliche Visionen, grundlegende Weichenstellungen, von denen alle weiteren Entscheidungen, die getroffen werden, abhängig sind.

In meiner Demokratie-Auffassung sollten diese Visionen möglichst demokratisch, also mit dem Stimmengewicht aller Bürger vereinbart werden.

Eine Gesellschaft könnte sich zum Beispiel zum Ziel setzen, dass statistisch betrachtet alle Menschen ein möglichst hohes Lebensalter erreichen sollen. Die Gesellschaft könnte sich aber auch darauf verständigen, daß sie für alle Menschen ein möglichst freies, erfülltes, glückliches Leben organisieren möchte. Es kann Situationen geben, in denen das Primat eines dieser beiden Ziele ein wichtiger Kompass für das Handeln der Regierenden sein muss.

Wenn es nun gesellschaftlicher Konsens wäre, dass, wie im Grundgesetz nachzulesen, vor allem „die Würde des Menschen unantastbar“ sei, müssten sich in der Folge alle weiteren Überlegungen an diesem Gedanken orientieren, sich ihm hintanstellen. Man könnte dann zu dem Schluss kommen, dass für einen Senioren ein monatelanges bloßes Vegetieren und Überleben hinter einer Plastikfolie, betreut von Maskierten und in sonstiger Einsamkeit, weniger würdig sei, als ein möglicherweise früheres Versterben, zum Beispiel an den Folgen einer Viruserkrankung, aber in Würde, zum Beispiel im Kreis der Familie. „Dem Schutz des Lebens sei nicht alles“, vor allem auch nicht die Würde des Menschen (Anm. d. A.), „hintanzustellen“, sagte sinngemäß Wolfgang Schäuble bereits im Mai 2020. Welcher Agenda folgen politische Entscheidungsträger, wenn sie solche Mahnungen ignorieren? Woher kam denn der Impuls, ausgerechnet in den Kindern, den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft, die größte Gefahr zu sehen und ihnen die größten Lasten zuzumuten, als die „Krise“ auf uns zurollte? Und warum suchte man die Auswege ausgerechnet in den noch nicht vorhandenen oder noch nicht funktionierenden Werkzeugen der sogenannten Digitalisierung?

Wenn sich im Laufe der Jahre eine Kaste von Berufspolitikern entwickelt hat, deren Lebenswirklichkeit teilweise weit von der Lebenswirklichkeit der einfachen Menschen entfernt zu sein scheint; wenn jeder Politiker vor allem eine „Marke“ ist und das eher betriebswirtschaftliche Ziel verfolgt, diese „Marke“ zu etablieren, wie stark ist dann außerhalb des „Wahlkampfes“ die Lobby der Wähler? Und wie groß sind die Einflüsse anderer Lobbyisten? Werden unsere Stimmen auch innerhalb von Legislaturperioden gehört? Und werden sie ernst genommen? Ich meine: Wir werden überhaupt nicht mehr gefragt. Ist das wirklich die Art von Demokratie, die wir wollen? Ist das wirklich Demokratie?

Ich glaube: Eine gesunde Demokratie wäre wirklich eine gute Sache.

Basisdemokratische Verfahren könnten uns dabei helfen, gesellschaftliche Entscheidungen auf ein breiteres Fundament zu stellen und ihnen zu Akzeptanz zu verhelfen. Sie würden auch den Regierenden ermöglichen, immer wieder den „Rat der Bevölkerung“ einzuholen. Einflüsterungen anderer Interessensphären besäßen weniger Gewicht. So könnte eine gesunde Demokratie entstehen.

Wir dürfen natürlich dies nicht außer Acht lassen: Demokratie braucht Demokraten. Demokratische Rechte einfordern heißt auch, demokratische Pflichten auf sich nehmen; denn auch, wer seine demokratische Pflicht nicht erfüllt, missbraucht Demokratie.

Weder „Siri“ noch „Alexa“, auch nicht der „Wahl-O-Mat“ werden sinnvolle gesellschaftliche Entscheidungen für uns treffen. Dies sollten wir selbst tun.

Ich bitte Sie: Seien Sie Demokraten! Nehmen Sie Ihr Schicksal in die Hand! Bilden Sie sich eine Meinung und sagen Sie sie laut! Bringen Sie Ihre Ideen ein! Beteiligen Sie sich an den Abstimmungen, die es gibt und fordern Sie mehr Mitsprache! Fordern Sie, dass Ihre Stimme nicht nur gezählt, sondern auch gehört wird!

Matti Rabold am 15.08.2022

 

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